Entstehung der Distanzierungsarbeit
Die Fachstelle für Distanzierungsarbeit befindet sich in der Trägerschaft von cultures interactive e.V.
cultures interactive e.V. ist seit 2007 in Thüringen in der Prävention von Rechtsextremismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Gewalt aktiv. Mit dem menschenrechtsorientierten Jugendkulturansatz wurde ein neuer Zugang entwickelt, der den Lebensrealitäten von Jugendlichen gerecht wird und die Lebensweltorientierung in der Jugendarbeit wesentlich stärkt. In dieser Jugendkulturarbeit wird an die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen angeknüpft, wodurch Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht werden. Die jugendkulturelle Bildung wird eng mit einer politischen Bildungsarbeit verknüpft: Gesellschaftspolitische Themen wie soziale Gerechtigkeit, Ausgrenzung und Geschlechterrollen werden lebensweltorientiert aufgegriffen und diskutiert. In verschiedenen Modellprojekten in der primären und sekundären Prävention wird dieser Ansatz thüringen- und bundesweit fortentwickelt und in Fortbildungen an Fachkräfte der Jugend- und Kulturarbeit weitervermittelt.
Von der Time-out-Zone zum gemeinwesenorientierten Handlungskonzept
In der Arbeit von cultures interactive in Thüringen hat sich gezeigt, dass eine menschenrechtsorientierte Jugendkulturarbeit mit rechtsextrem-gefährdeten und -orientierten jungen Menschen an ihre Grenzen stößt bzw. um andere pädagogische Ansätze und Interventionsformen erweitert werden sollte. Für Schulprojekttage hat cultures interactive die sogenannte Time-out-Zone konzeptioniert: Rechtsextrem-gefährdete Jugendliche werden außerhalb des Workshops in einer Kleingruppe mit ihrer Haltung konfrontiert, sodass es zu einer kritisch-zugewandten, pädagogisch geleiteten Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Einstellungen kommen kann. Aus dieser Intervention hat sich die Distanzierungsarbeit von cultures interactive in Thüringen entwickelt.
Dabei war die Entwicklung des Handlungskonzeptes für die Arbeit mit rechtsextrem-gefährdeten und -orientierten Jugendlichen in der offenen Jugendarbeit im ländlichen Raum in Ostdeutschland (Hako_reJu, 2011-2014) ein wesentlicher Schritt: In enger Kooperation von Wissenschaft und Praxis wurde ein Interventionsplan entworfen, mit dem pädagogische Fachkräfte und Akteur*innen des Gemeinwesens kommunale Strategien gegen Rechtsextremismus entwerfen und umsetzen können. Dieses kann in einer mehrtägigen Fortbildungsreihe an Fachkräfte der Jugendarbeit und Multiplikator*innen in Kommunen weitervermittelt werden. Auf pädagogisch-methodischer Ebene ist der narrative Ansatz hervor zu heben, der gemeinsam mit Michaela Köttig (Frankfurt University of applied sciences) für die Arbeit mit rechtsextrem-gefährdeten und -orientierten jungen Menschen entwickelt wurde. Das Handlungskonzept wurde von Phineo mit dem Qualitätssiegel "Phineo wirkt!" ausgezeichnet.
Das Bundesmodellprojekt DisTanZ
Diese gesammelten Erfahrungen in der Präventions- und Interventionsarbeit gegen Rechtsextremismus und in der sozialen Gruppenarbeit dienten als Grundlage des Bundesmodellprojekts DisTanZ (2015-2019). Basierend auf dem narrativen Ansatz und der kritisch-zugewandten Haltung wurden die DisTanZ-Trainings für die Distanzierungsarbeit entwickelt. In Einzel- und Gruppentrainings werden Methoden der sozialen, politischen und jugendkulturellen Bildung, systemisch-lösungsorientierte Methoden und biografische Ansätze miteinander verbunden. Im Trainingsverlauf werden Distanzierungsimpulse erwirkt, um eine Verfestigung rechtsextremer, abwertender und gewaltbefürwortender Haltungen zu verhindern.
Auf kommunaler Ebene werden der fachliche Austausch und die Vernetzung verschiedener Akteur*innen der Jugend- und Präventionsarbeit und aus Regelstrukturen vorangetrieben. In einem Kompetenz-Zentrum, dem sogenannten DisTanZ-Zentrum, treffen sich regelmäßig die relevanten Akteur*innen für eine übergreifende Fallarbeit und eine langfristige, gemeinwesenorientierte Radikalisierungsprävention. Dies ermöglicht auch eine breite Sensibilisierung für die Prävention und Intervention gegen Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.